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Ein mit Basaltpflaster belegter Platz ist zu sehen, um den herum schöne mittelalterliche Fachwerkhäuser stehen und ein imposantes Steinhaut mit Stufengiebel stehen. Am rechten Bildrand steht das Alsfelder Rathaus, ein Fachwerkbau, der auf einem steinernen Bogenbau thront.

50 Jahre Deutsche Märchenstraße

Die Deutsche Märchenstraße und der Vogelsberg im Spiegel der Zeit

Am 11. April 2025 feiert die Deutsche Märchenstraße ein bemerkenswertes Jubiläum: 50 Jahre voller Fantasie, Kultur und der Bewahrung eines einzigartigen literarischen Erbes. Seit ihrer Gründung im Jahr 1975 hat sich diese touristische Route, die sich von Hanau bis Bremen erstreckt, zu einem Magneten für Märchenliebhaber aus aller Welt entwickelt. Sie verbindet nicht nur die Lebensorte der berühmten Brüder Grimm, sondern auch zahlreiche Orte, die in ihren unsterblichen Erzählungen eine Rolle spielen oder von der märchenhaften Atmosphäre der Region geprägt sind.

Ein besonders reizvolles und oft unterschätztes Juwel entlang dieser traditionsreichen Route ist der Vogelsberg. Die Vulkanregion, die sich mit ihrer sanften Mittelgebirgslandschaft, den erloschenen Vulkanen und den dichten Wäldern präsentiert, birgt eine ganz eigene Magie, die tief in der regionalen Sagenwelt verwurzelt ist und somit eine natürliche Verbindung zu den Märchen der Grimms aufweist. Neben der landschaftlichen Schönheit sind es insbesondere die lokalen Erzählungen und historischen Bezüge in Orten wie Grebenhain, Freiensteinau, Herbstein und Alsfeld, die den Vogelsberg zu einem integralen und facettenreichen Bestandteil der Deutschen Märchenstraße machen.

 

Grebenhain-Ilbeshausen: Die Teufelsmühle – Eine Sage von Pakt und List

In Grebenhain, genauer gesagt in Ilbeshausen-Hochwaldhausen, findet sich die Sage von der Teufelsmühle. Diese Erzählung handelt von einem Zimmermann, der in seiner Not einen Pakt mit dem Teufel eingeht. Der Teufel verspricht ihm Reichtum unter der Bedingung, dass er ihm die Seele desjenigen überlässt, der als Erster die neue Mühle betritt. Durch List gelingt es dem Zimmermann jedoch, einen Hahn in die Mühle zu locken und so den Teufel zu überlisten. Diese Sage ist ein typisches Beispiel für eine Volkserzählung, die moralische Lehren vermittelt und den Kampf zwischen Gut und Böse thematisiert – ein wiederkehrendes Motiv in vielen Märchen. Die Teufelsmühle als konkreter Ort verankert diese archetypische Geschichte in der regionalen Realität und macht sie für Besucher der Märchenstraße auf besondere Weise erlebbar.

 

Herbstein: Zwischen Geologie und Gespenstern – Sagenhafte Formationen und alte Erzählungen

Auch Herbstein selbst trägt zur Vielfalt der Sagenwelt des Vogelsbergs bei. Die markante Topographie der Stadt, geprägt von vulkanischen Kegeln und dem tief eingeschnittenen Tal der Lauter, hat die Fantasie der Menschen seit jeher beflügelt. Sagen ranken sich um die Entstehung der Basaltformationen, um verborgene Gänge und Schätze im Erdinneren. Erzählungen von nächtlichen Lichtern und unheimlichen Begegnungen in den Wäldern rund um Herbstein sind ebenso Teil der lokalen Überlieferung. Diese Geschichten spiegeln die Ehrfurcht und manchmal auch die Furcht wider, die die Menschen angesichts der Naturgewalten empfanden – ein Gefühl, das sich auch in vielen Märchen wiederfindet, in denen die Natur oft als lebendiger und manchmal bedrohlicher Akteur auftritt.

Ein großes, zweigeschossiges Fachwerkhaus ist zu sehen. Manche Gefache haben aufwendig verzierte Holzverstrebungen. Das Gebäude ist von einem Wiesengrund umgeben, der mit einem Staketenzaun eingefasst ist. Auf der Stirnseite ist das Mühlrad angebracht. Die Haustür führt an der Breitseite auf den Hof, an den ein Wirtschaftsgebäude grenzt.
Ein wahres Baukunstwerk ist die zweigeschossige Teufelsmühle mit ihrem besonderen Fachwerk in Grebenhain-Ilbeshausen. Sie steht deshalb schon seit 1902 auf der Denkmalliste. Ab 1691 über sieben Jahre hinweg wurde sie vom Zimmermann Hans Muth erbaut. Der Sage nach gab es dabei einen Wettstreit mit dem Teufel, den der Zimmermann gewann. Daraufhin zog der Teufel wütend davon.
Mächtig türmen sich inmitten des Buchenwaldes die Basaltfelsen des Geotopes Felsenruhe bei Herbstein auf. Deutlich heben sich die grau-schwarzen Basaltriesen vom belaubten Waldboden und den Stämmen der grünlaubigen Buchen ab.
Der Rundwanderweg FelsenTour nahe Hessen höchstem Heilbad Herbstein führt vorbei an beeindruckenden Geotopen aus Basalt des lange erloschenen Vulkans Vogelsberg. Hier ist die langgezogene Basaltkante "Felsenruhe" zu sehen, die impossant inmitten den Buchenwaldes thront.
Ein Fachwerkhaus, das mit Mächenfiguren dekoriert ist. Davor ist ein Brunnen mit dem Froschkönig darauf.
In einem Fachwerkhaus von 1628 sind auf zwei Etagen die Märchen der Brüder Grimm in den einzelnen Ausstellungsräumen anhand von Puppen ausgestellt. Im Erzählraum kann man der Märchenerzählerin lauschen. Im oberen Stockwerk befindet sich eine Puppenstuben-Ausstellung aus über zwei Jahrhunderten. Mehrere hundert Puppen und 83 Stuben aus alter, erzgebirgischer Familientradition zwiegen die Welter der Groß- und Urgroßeltern.

Freiensteinau: Christkindleins Wiege und das Erbe Theodor Bindewalds

Freiensteinau nimmt innerhalb der Deutschen Märchenstraße eine besondere Stellung ein. Die Tradition besagt, dass sich hier die "Christkindleins Wiege" befunden haben soll, ein Motiv, das zwar nicht direkt in den Grimmschen Märchen vorkommt, aber die volkstümliche Vorstellungswelt und den Glauben an übernatürliche, wohlwollende Kräfte widerspiegelt. Noch bedeutsamer für die literarische Verankerung der Region in der Sagenwelt ist das Wirken des Heimatforschers und Schriftstellers Theodor Bindewald (1847-1928). Bindewald sammelte unzählige Sagen, Märchen und volkstümliche Überlieferungen aus dem Vogelsberg und trug maßgeblich zu deren Bewahrung und Verbreitung bei. Seine Aufzeichnungen bieten einen reichen Fundus an lokalen Erzählungen von Zwergen, Riesen, Geistern und anderen fantastischen Wesen, die die Vorstellungskraft beflügeln und die Landschaft des Vogelsbergs in ein Reich der Mythen verwandeln. Diese lokalen Sagen, oft verwurzelt in realen Orten und Begebenheiten, stellen eine direkte Verbindung zur mündlichen Überlieferung her, aus der auch die Grimmschen Märchen schöpften.

 

Alsfeld: Märchenhaus und Hexentanzplatz – Zwischen Realität und Magie

Alsfeld präsentiert sich als eine besonders märchenhafte Station an der Deutschen Märchenstraße. Das historische Fachwerkensemble der Altstadt mit seinem markanten Rathaus scheint direkt einer Märchenillustration entsprungen zu sein. Diese pittoreske Atmosphäre führte zur Einrichtung des Alsfelder Märchenhauses, einem Museum, das sich auf spielerische und informative Weise den Märchen der Brüder Grimm widmet und somit eine direkte Verbindung zur literarischen Hauptader der Route schafft.

Darüber hinaus existiert in der Nähe von Alsfeld auf dem Bechtelsberg der sogenannte Hexentanzplatz. Dieser Ort ist Schauplatz alter Sagen über Hexen, die sich dort zu ihren nächtlichen Zusammenkünften trafen. Solche Erzählungen von Hexen und magischen Praktiken waren ein fester Bestandteil des volkstümlichen Glaubens und finden sich in abgewandelter Form auch in einigen Grimmschen Märchen wieder. Der Hexentanzplatz als real existierender Ort verleiht diesen fantastischen Vorstellungen eine greifbare Dimension.